Halb Deutsch, halb Aussie

23 05 2009

Mittlerweile sind es fast 8 Monate. 8. Acht! Acht lange Monate, die ich in Sydney so rumtümpel und fleißig englisch denke, spreche und träume. Und umso länger ich hier bin, desto weniger fühle ich mich in Deutschland zu Hause. Was auch immer die letzten Wochen mit mir gemacht haben.. es fühlt sich auf jeden Fall besser an. Wenn ich überlege, dass ich nur noch 3 Wochen im Four Season zu arbeiten habe, danach (eventuell) auf Reisen gehe und bereits am 2. August nach Hause fliegen soll.. dann habe ich mehr und mehr den Eindruck, dass mir hinten raus die Zeit fehlt, Australien zu genießen. Ich behaupte nicht, dass es schlecht wäre, aber irgendwie bin ich so an diese Umwelt hier gewöhnt mit der zuvorkommenden Atmosphäre, die die Menschen hier kreieren, diese Stadt, die Möglichkeiten, die Relaxtheit, der lockere Umgang.. dieses Genießen. Dafür ist Australien bekannt und ich kann es nur bestätigen.

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Die vergangenen 2 Monate haben mich wieder gutgehenst aufgepeppelt. Auf Arbeit bin ich resigniert, so richtig kann mich nichts mehr schocken. Muttertag war der wohl mit Sicherheit zweit-schlimmste Tag nach Valentinstag (haha, den Tag kann echt nichts toppen). Nach 4 Doppelschichten Dienstag bis inkl. Freitag, folgte ein krasser Samstagabend.. und oben drauf durfte ich dann am Sonntag 11 Uhr zum Muttertag antreten. Himmel hilf! An diesen Tag waren so gut wie alle Kable’s Mitarbeiter gerostert (Roster – Dienstplan), also knapp 25 Leute im Dienst. Als ich 11 Uhr eintraf stand quasi alles unter Wasser vom Frühstück. Office, Hinterland, Küche und vor allem der Floor. Trotz knapp 15 Frühdienstleuten ist das Frühstück bei ca. 800 Gästen abgesoffen und stand mal direkt in der Scheiße.. von Beginn an :-). Das lustige an der ganzen Sache: 12 Uhr startete das Lunchbuffet. Macht nach Adam Riese 1 Stunde um den kompletten Floor auf Lunch umzudecken. Das heisst im Klartext: Alles vom Frühstück runter inklusive der Matten, Moltons drauf (Tischunterlagen), Tischdecken drauf, Servietten, Besteck, Wasser-, Weißwein- und Rotweingläser folgten. 34 Tische. 60 Minuten. Und immer saßen noch ein Haufen Gäste. Naja, wie auch immer. Ich habe schon viele unmöglichscheinende Dinge in diesem Hotel gesehen, insofern hilft jammern ja nix.. ranglotzen hieß die Devise. Das taten auch alle so gut sie konnten. Punkt 12 Uhr standen dann schon die ersten ca. 10 Gäste vorm Restaurant und wurden von 3 Hostessen freundlich zurückgehalten. Noch immer waren wir am Wuseln, aber egal. Wir öffnen um 12 Uhr also dürfen die Gäste auch 12 Uhr rein. Ein ganz besonderer Gast rettete mir den Tag: Unter der ersten Familie, bestehend aus Mum, Dad, Tochter und Sohnemann, war es der kleine süße Bursche im Anzug und Krawatte. Kaum hatte die Familie ihren Tisch erobert, wanderte der Kleine schnurrstracks und mit erhobenen Hauptes zum nächsten Kellner. In diesem Falle war ich das. Bis auf wenige Centimeter trat er an mich an und guckte mich mit riesigen Kulleraugen an: „Excuse me Sir, where is the Kids-Buffet?“ Lächeln fiel mir in dem Moment nicht schwer. Ich musste richtig fett grinsen.. sooo süß war das. Mit einen „Please, feel free to follow me young Gentleman.“ zeigte ich ihm den Weg in den wunderbar geschmückten Raum mit Luftballons, Spielecke, TV mit laufendem Film „Ice Age“, vielen anderen Möglichkeiten und natürlich einem kleinen Buffet für die kleinen Gäste. 3 Mädels aus dem Bankett kümmerten sich einzig und allein um diesen Raum. Tolle Sache fand ich.

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.. das war aber auch das einzige, was einen an diesem Tag froh stimmen konnte. In der nächsten halben Stunden schlugen rund 120 Gäste ins Restaurant ein. Mit 7 Tischen hatte ich größte Sektion bekommen, ich fühlte mich geehrt. Wenigstens hatte ich einen Commis (Gehilfe), der war zwar nix wert, aber besser als nichts. Bis 3 Uhr durften Gäste den ach-so-tollen-Muttertag genießen. Der nächste Witz an dem Tag: Halb 5 fand eine Hochzeit in den 2 Zusatzräumen des Restaurants statt, in welchen das riesen Buffet und die Kinderlounch eingerichtet wurden waren. Zudem musste das komplette Restaurant umgedeckt und die Tischformation verändert werden. Bis 3 Uhr sah alles so aus, wie es eben aussah: Circa eine Billion Gäste, tausend dreckige Tische, das Buffet stand und die Kinder hatten auch noch ihren Spaß. Ich bin fast verrückt geworden. Ich meine, dass weiß man alles vorher und trotzdem wird obendrein noch ne Hochzeit verkauft. Idioten sterben nie aus, ehrlich. Ich bin froh, dass es überfleißige Arbeiter gibt im Four Seasons die sensationell schnell sind und brav mit anfassen. Nur leider sind sie sehr rar. An diesem Tag waren es mit mir 3 Leute. Ich war hochfrustriert, sehen zu müssen wie Assistant-Restaurant-Manager mehr zuschauten und sogar noch vom Buffet aßen, als uns zu helfen. Ich weiß nicht wie und ich weiß nicht warum, aber Punkt halb 5 stand so gut wie alles.. es fehlten nur ein paar Kleinigkeiten. Ich war einfach nur tot. Tot. Supertot. Aber hey, der Höhepunkt kam noch: Um 5 wurden so gut wie alle nach Haus geschickt und als der Blick der Restaurantdirektors auf mich fiel, hieß es nur „Johannes, you’re staying, ok?!“ Ich schaute zur deutschen Michaela (F&B-Managerin-In-Training, you remember?) und sagte nur „Nie im Leben hey.“. Ich blickte zurück zum Manager und sagte „No chance Boss, sorry. I have to go… please.“ Er wusste, warum und verstand das auch ziemlich schnell. Mit dem Wort „Okay“ drehte ich mich auf der Hacke um und verschwand durch die Wand 🙂

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Über Schichten kann ich mich ansonsten nicht im geringsten beschweren. 4 Doppelschichten und 1 Single-Dinner-Schichten bereiten mir 4 Tage No-Life (Arbeiten, Zug, Schlaf, Zug, Arbeiten..) und 2 Abende zum Weggehen (Freitag und Samstag), welche auch gutgehenst genutzt werden und teilweise ziemlich ausarten. Vor allem Samstags. Aber meist sind wir so frustriert, dass wir Samstag Nacht an nichts anderes denken als diese Woche wiedermal zu vergessen. Aber bis jetzt war es jedes Mal sehr lustig und mit Alkohol lern ich bestimmt noch eine 3. Sprache innerhalb von wenigen Wochen .. hehe 🙂 Warum auch nicht. Ansonsten habe ich so gut wie meine Station immer sicher. Meine Mittelsektion im Restaurant ist nun wirklich mir. Zumindest für die letzten 3 Wochen. Mittags kümmere ich mich um kleine Functions (Gruppen, die Lunch haben), welche dafür bekannt sind, durch die festen 10% Tipp auf Gesamtrechnung, für einen guten Tipp-Zusatz zu sorgen. Wenn solche Functions mal nicht existieren, helf ich auf dem Floor aus oder mache mit bei den Breakfast-Resets. Es gibt halt immer irgendwie was zu tun.

Generell gesehen werde ich das Four Seasons nicht vermissen, aber die Leute. Einige sind, wie so einige Gastronomen, einfach nur durchgeknallt und machen manche Tage immer wieder unvergessen. Echt lustig. Dazu kommt, dass die Vielfalt an Menschen die Arbeit so interessant macht. Man arbeitet immer mit Menschen aus mindestens 8 verschiedenen Ländern zusammen.. wenn man das mal überlegt, ist das wirklich cool.

Aber immer mehr kommt der Gedanke auf, dass ich nicht wirklich in Deutschland arbeiten möchte. Mal wieder zurückzukehren, Familie knuddeln, mit Freunden was trinken gehen, Stories erzählen, Erlebtes austauschen, genießen. Aber länger bleiben wird irgendwie immer weniger zum Wunschgedanken. Dafür werden mehr und mehr Gebiete der Erde zum Plan meiner Zukunft. Dazu gehören Montreal in Kanada, zum Französisch lernen, Las Vegas und natürlich die Bahamas Inseln. Und da ich mittlerweile das erreicht habe, was ich wollte (Blut geleckt zu haben), richte ich meine Ziele immer mehr auf das Ausland, als auf Deutschland. Mal sehen wie sich das umsetzen lässt.

Kables Server team