Snowy Mountains: von Hals und Bei.. Fingerbrüchen

11 09 2009

So geht er dahin, der Winter in Australien. Seit dem ich in Australien bin, was nun mehr als 11,5 Monate sind, ging die Zeit noch nie so schnell rum, wie hier in den Bergen. Wahnsinn. Wenn ich nach vorne blicke, sehe ich nur noch 2 ausstehende Wochen in Australien, 5 Tage davon in Sydney. 2 Tage in den Bergen gehen für das APSI Level 1 Examen drauf, 1 Tag wird im Kalender für die End-of-Season-Party dick angestrichen. An den restlichen Tagen wird noch ein wenig gelehrt, trainiert und genossen.

In den vergangenen Wochen hat sich eine Kleinigkeit geändert: Meine Hand. Die rechte, dummerweise. Es war ein schöner sonniger 14. August, ein Freitag. Eine Woche in der ich All-Day-Kids hatte, in meinem Lieblingsalter 5-7. Nach einem harten Montag, in der jegliche Energie aus mir gesaugt wurde, um Kids bei Laune zu halten und gleichzeitig viel beizubringen, folgten 3 Tage voller lustiger Ski-Runden in Smiggens als auch in Perisher. Die Kids liebten mich genauso sehr wie ihre Eltern und bei solch guten Gruppen folgt am Ende der Woche, Freitag, meist am Nachmittag ein Race-Training für die Kids, zusammen mit/gegen die anderen Gruppen der All-Day-Kids (meist haben 4-5 Lehrer diese Ganztagsgruppen). So machten wir uns an jenem Tag nach dem Lunch auf, alles mögliche für das Rennen vorzubereiten. Riesen Bohrmaschine für den Boden, Poles (mir fällt das Wort in Deutsch nicht ein für die Stöckchen die aus dem Boden ragen beim Rennen), Stifte, Papier und Stoppuhr. Zusammen mit Jills und Sylvias Gruppe machte ich mich mit meiner ins Jay-Bar-Land auf. Wir steckten die Rennbahn ab und fingen an die Kids Probeläufe machen zu lassen. Ich postierte mich in die Zielgerade und bereitete mich auf das Zeitstoppen und -aufschreiben vor. Handschuhe aus, Jacke aus, Sonnenbrille auf, bücken um mich mit der rechten Hand aus dem Ski zu drücken.. Hand berührt den Boden, ich drück auf das hintere Teil der Bindung.. ZZZZUMMMMM fährt mir ein Kind ungebremsten über meine rechte Hand, lässt dabei die Finger unter dem Ski und schneidet einmal quer nahe meiner Knöchel über die Hand. Schmerz. Purer Schmerz. Das war das erste was ich fühlte. Ein „Awwwww SHIIIIIIIIT“ konnte ich mir nicht verkneifen und als ich das erste mal auf die Hand blickte, sah ich einen kleinen Springenbrunnen von Blut an meinem Mittelfinger, sowie ein ordentlich Schnitt am Zeigefinger. Ringfinger traf es direkt am Knöchel wo „nur“ ein Handlappen fehlte und es ordentlich blutete. Der kleine Finger bekam nur einen sanften Schnitt ab. Als ich vor Schmerz meine Hand vor Schmerz zur Faust ballen wollte, blieb der Mittelfinger auf der Hälfte hängen und was in seinem Schnitt zu sehen war, lies Jill, welche direkt neben mir stand, fast in Ohnmacht fallen: Der Schnitt durchtrennte Muskel, Vene, Nerv und Knochenkapsel, d.h. man konnte schön offen den Knochen sehen. So richtig wusste niemand was zu tun ist. Ich blutete fleißig vor mir hin und unter mir kreierte ich ordentlich einen roten Teppich. Kein Taschentuch in der Nähe und natürlich auch keine Ski-Patrouille. Syliva wurde von der Startlinie runter gerufen und ein Elternteil, was seinen Sohn zu schaute, gab mir den Tipp, die Hand höher als das Herz zu halten. Gut. Wenigstens etwas. Aber auf Dauer hilft das auch nicht. Also musste was passieren. Die Blutung stoppen in dem ich die Schnitte mit der anderen Hand abdrücke ging nicht so richtig. Jedes Mal wenn ich das versuchte, wurde mir vor Schmerz fast schwarz vor Augen 🙂 Also ab zum Medical Center, Warten auf Patrouille würde jetzt zu lange dauern. Also liefen Jill und ich an verschreckten Gesichtern der Eltern und anderer Skiurlauber vorbei, 3 Minuten, bis zum Medical Center. Das lustige am Medi Center war: Wir trafen ein, keine Sau da. Also durfte ich noch Ski Patrol anfunken, dass sich einer mal bequemen könnte, ins Quartier zu kommen. 5 Minuten später war Hilfe da und nahm die immer noch ätzend stark blutende Hand unter die Lupe. Ersteindruck: Sauberer tiefer Schnitt. Schritt Nummer 1: Reinigen.. ach ja.. war das ein.. SCHEISS Schmerz. Halbpurer Alkohol soll ja bekanntlich dazu beitragen, Wunden zu reinigen, aber das mir halb schwarz vor Augen wurd.. daran kann ich mich nur zu genau erinnern. Einige Minuten und einen erhöhten Puls später, war alles ordentlich verbunden und ready for transport. Von Smiggens wurde ich nach Perisher bebracht um dort von einem Doc behandelt werden zu können. Aufgrund dessen, dass das Medi Center dort gut gefüllt war, durfte ich auch erstmal gut ne Stunde warten, bis sich ein Arzt um meine wohl eher unwichtige Hand kümmern könnte: Vom Draufschauen war es ja lediglich 4 Schnitte verteilt auf 4 Finger. Aus Langweile machte ich erste Bilder und ein Video von meiner Hand. SEHR lecker 🙂 Ich beobachtete Röntgenbilder von ausgekugelten Schultern und Ellenbogen, sah andere tiefe Schnitte, ein paar Leute humpeln und rumstöhnen.. war schon recht interessant.. kann man so sagen. Irgendwann kam dann also der Doc angetrabt und guckte tief in mein Finger. Mit jedem Beugen meines Mittelfingers erlöschte mir jeglicher Schmerz mein Lächeln was ich stets versuchte aufrecht zu erhalten. Man konnte deutlich sehen wie der Muskel unter die Haut gerutscht war und die Knochenschale zertrennt war. Sehr appetitlich. Naja, 3 etwas planlose Ärzte und 30 Minuten später kam die Diagnose: „Sorry, der spezialisierte Arzt ist heute leider nicht mehr anwesend. Magst morgen wieder kommen?“ Aber hey, ist doch gelacht. Natürlich mach ich das. Kann ich bitte noch 410 Pillen Schmerzkiller bekommen? Danke. Mir blieb ja nix anderes übrig. Ein Neuling, quasi Arzt-Azubi durfte dann meine Finger zu nähen. Toll. Toller Tag. Bis dato waren mir die Konsequenzen von dem Unfall noch nicht bewusst.. das kam dann erst später. Naja egal. Spulen wir vor zum nächsten Tag. Zähne zusammenbeißen und auf zur Arbeit. Mein Arzt Termin war erst gegen 13 Uhr. Habe ich doch noch dicke Zeit für das Morgen-Line-Up und zum schnuppern, ob es nicht doch vielleicht noch Kids zu betreuen gibt. Glück hatte ich allerdings: MILO-Kids!! Yeaaaahhhh!!! Milo ist quasi heiße Schokolade hier. Und die Milo-Kids sind die Kleinsten der Kleinen. 3-4 Jahre alt und suuuuuper knuffig. Deren Helme sind soooo übergroß und ihre Skijacke inklusive des Milo-Überhangs machen jedes kleine Kid zu einem Erlebnis. So richtig unterrichten kann man sie nicht. Das wichtigste ist sie von Tränen und Schreien zu befreien, ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern und sie dann bei Laune zu halten. Verrückt sein, durchdrehen, Spiele hier, Lachen dort.. wie cool 😀 Naja, back to Topic. Nach der Schicht ging es also zum Doc der auch schnurstracks meine Stiche zerschnitt und um insbesondere den Mittelfinger zu beliebäugeln. Beratung hier, Beratung dort bis dann die Frage aufkam: „Hey, entweder wir bringen dich nach Cooma (45 Minuten) oder Canberra (2 Stunden) ins Krankenhaus oder wir machen es jetzt hier mit dem Equipment was wir hier haben. Up to you.“ Ach Jungs, legt doch einfach los, meinte ich direkt. Und so begann das wirklich Interessante an der Sache: Das Zusammenflicken der Knochenschale und des Muskels. Alles begann mit Spritzen direkt ins Fleisch und unter die Haut (AUU). Nach des Flickens der Schale wurde der zerschnittene Muskel von beiden Seiden unter der Haut hervorgezogen. Ich kann guten Gewissens sagen, dass ich körpertechnisch nie so etwas gefühlt wie das. Das war net nur komisch, es war ekelhaft und fühlte sich dermaßen scheiße an.. aber was solls. Ich war leicht schockiert. Zeit für weitere Fotos. Yummi. Der Muskel wurde dann fleißig mit 4 Stichen zusammengenäht. Dann die Haut mit ebenfalls 4. Gips um die Hand. Fertig. Fertig war der invalide Skilehrer. Das erste Dumme an der Geschichte war, dass mir jegliche Arbeit auf Ski verboten wurde. Somit fiel auch Training für mein wichtigen Level 1 Examen weg. Shit. Ich wurde ins Office verpflanzt, für 25 Stunden pro Woche: Paychecks ausarbeiten und den Dientplan schreiben. Muhahahaha, die Macht war in meiner Hand! Die ersten Tage waren interessant, dann wurde es schnell langweilig. Nach 10 Tagen wurde ich von Rebecca, Miss Supervisor für die Kids, wieder auf die Ski geholt. Sie meinte es ist verboten, aber sie braucht mich und da ich das unbedingt wollte, ging das auch okay solange ich der Personalabteilung nix davon erzähl. Yeaaaah! Als Belohnung bekam ich 2 Tage All-Day-Kids. Der Fun war wieder da!

Nach gesamten 2 Wochen durfte ich dann endlich zur Nachuntersuchung. Gips ab. Stinkende Finger.. Freiheit!!!! …. denkste. Neuer Gips dran und Termin für die Physio in Canberra damit mir da ein sogenannter Splint (keine Ahnung was das in Deutsch ist. Harte Plaste, was meinen Finger vom Knicken schützt) angefertigt werden kann. Der Arbeitgeber stellte brav meine Fahrbegleitung für den Tag. 2 Supervisor vom Resort „Blue Cow“ was mit zu Perisher gehört. Also durfte ich mal die Hauptstadt Australiens sehen. Der Arzttermin dauerte 45 Minuten. Der Aufenthalt in Canberra 5 Stunden. Shoppen. Essen. Rumlungern. So muss es sein! Naja und seit dem passte meine Hand auch endlich wieder in normale Handschuhe. Die erste Tage waren nicht schmerzfrei aber mittlerweile geht es. Den Splint darf ich 4 Wochen tragen.. also etwas was ich mit nach Deutschland nehmen darf 🙂 Soviel zum Finger und meiner Hand.

Wenn ich nach vorne schaue und überlege was genau JETZT in 2 Wochen ist, kann ich lachen und weinen. Ich würde seit 3 Stunden im Flieger sitzen, einen schweren Kater verdauen, Musik hören und wahrscheinlich im Wachkoma liegen (der letzte Abend in Sydney wird ne harte Nacht. Soviel ist Gewiss). Bis dahin steht auf dem Plan: Dienstag + Mittwoch Level 1 Examen. Donnerstag End of Season Party mit vielen Awards wie Ski Instructor of the year, Snowboard Instructor, FIGJAM (fuck I’m good, just ask me – für jemanden, der denkt er sei der King auf dem Schnee) und so weiter. Sonntag Abend geht es dann mit Pete und Lewis Richtung Sydney.. was so gesehen klasse ist, da es 2 sind mit denen ich schon mit gemacht habe hier. Das wird großartig mit denen in Sydney noch ein wenig zu rocken 🙂 Am Montag drauf versuche ich alles nötige für mein Tax-Back (Steuerzeugs) und mein Superannuation-Account in die Wege zu leiten. Mein Gepäck muss ich um einige Kilos reduzieren, notfalls mit dem Schiff versenden. Sobald alles am Montag erledigt ist, folgen 4 geile Tage in meiner geliebten Stadt… Die letzten Tage von 365 in Australien.


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